Flug ins Verderben
Geschwaderführer Fight-Commander Hiddar „Deadeye“ Packer hatte heute Morgen schlechte Laune. Was ihn wirklich nervte, war, dass er nicht mal genau wusste, warum. Lag es an ihrem Auftrag, den sie gerade in einem Briefing erhalten hatten oder an dem Besäufnis vor 2 Tagen, dessen Nachwirkungen er immer noch spürte. Oder begann dieser Krieg ihn schon anzukotzen? Sie flogen nun schon seit mehreren Wochen Einsätze gegen den Südpakt, vor allem gegen die Makropole Machwu mit ihrem verflucht dichten Flakfeuer, dass schon einigen Kameraden das Leben gekostet hatte. Oder war es doch dieser provisorische vorgeschobene Wüstenflughafen mit seinem ständigen staubigen Wind und seiner überwältigenden Trostlosigkeit. Vermutlich alles von dem, dachte sich der Flight-Commander als er mit seiner Crew, wie immer schweigend, zu seinem Libertatorbomber ging, der noch unter einem Tarnnetz stand.
Die Libertatorbomber waren die einzigen Langstreckenbomber, die es auf Meridus gab. Sie waren der Stolz der militärischen Flugzeugindustrie der Makropole Pacalis und wurden deshalb ausschließlich von der Nordallianz genutzt. Es gab nur 144 in Dienst gestellte Maschinen, gegliedert in 2 Geschwader zu je 6 Staffeln zu je 12 Maschinen. Mit 4 Mann Besatzung, 1100 km/h Höchstgeschwindigkeit, 6000 km Reichweite und 4000 kg Zuladung an Bomben und Raketen, waren sie technisch in allen Bereichen den Marodeur-Bombern des Imperiums unterlegen. Doch hier, am Rande des Imperiums ohne imperiale Luftstreitkräfte waren sie die unangreifbaren Helden der Lüfte. Kein planetarer Jäger war in der Lage diese Schnellbomber abzufangen. Deshalb hatten die Maschinen auch keinerlei Abwehr-bewaffnung.
Nur Flakfeuer konnte ihnen gefährlich werden und das war auch der Grund für ihr Besäufnis vor 2 Tagen. Die Crew der „Pfeilschnellen Vergeltung“ hatte es vor 2 Tagen nicht geschafft. Die Maschine wurde von den Hydrabatterien in der Oberstadt von Machwu getroffen, als sie nach dem Bombenabwurf einige Sekunden zu weit nach Süden geschwenkt war. Verdammtes Pech!. Der Cheftech nickte ihnen zu, als sie in die Maschine hochkletterten. Sie führten die vorgeschriebenen Rituale des Startens aus und stiegen nach der Freigabe vom Tower in die Luft, stetig steigend, bis sie ihre vorgesehene Flughöhe von 25 000 m erreicht hatten.
Sie flogen nun schon einige Stunden nach Osten, 72 blitzende Pfeile, die aufgehende Sonne im Rücken. Anders als die Erde, auf der der von allen verehrte Gott-Imperator auf seinem Goldenen Thron saß, drehte sich Meridus von Ost nach West, so dass die Sonne im Westen aufging. Unter ihnen lag eine geschlossene, schmutziggraue Wolkendecke, über ihnen der stahlblaue, klare Himmel. Sie flogen mit etwa 800 km/h. Das Auspex zeigte außer ihren Maschinen absolut nichts an. Sie waren allein.
Hiddars Gedanken beschäftigten sich mit ihrem Auftrag. Sie sollten die Tunnelausgänge des Südpakts im Westen des Äquartorialgebirges bombardieren. Die Zerstörung dieser Tunnel würde den Vorstoß der Südpakttruppen empfindlich stören. Sie hatten die genauen Koordinaten und würden ihren Bombenteppich durch die geschlossene Wolkendecke werfen. Jede Maschine trug zwei 1000 kg schwere „Felsbrecher“-Bomben und sechs 250 kg Sprengbomben, die das Vorgelände der Tunnel verwüsten sollten.
Der Auftrag unterschied sich durch nichts von anderen Einsätzen. Sie operierten am Rande ihrer Einsatzreichweite mit maximaler Zuladung. Sie würden ihre Bomben mit der gewohnten Präzision abwerfen. Mit Gegenwehr war nicht zu rechnen. Trotzdem war Hiddar ungewöhnlich unruhig. Immer wieder fragte er nach Auspexpeilungen und ließ sich vom Bord-Tech ständig den technischen Zustand und Treibstoffverbrauch melden. Seine Männer grinsten schon und warfen sich amüsierte Blicke zu. Sollten sie doch, dachte sich der Flight-Commander. Er war für 72 Maschinen und deren Besatzung verantwortlich. Da durfte er schon etwas besorgt sein.
„Raketenalarm“ schrie plötzlich der Auguroffizier. Hiddar Packer riss ohne zu überlegen die Maschine in eine harte Rechtskurve und löste gleichzeitig eine Ladung Täuschkörper aus. Die Rakete schlug in einen Täuschkörper und überschüttete die linke Tragfläche mit einem Splitterregen. Die Druckwelle drohte die Maschine in eine Trudelbewegung zu zwingen. Packer riss mit aller Macht am Steuerknüppel, befahl gleichzeitig Vollschub und zwang so die Maschine die steile Rechtskurve fortzusetzen. Der Bord-Tech meldete Splitterschäden an der linken Tragfläche und vollführte die Reparaturrituale.
Auf dem Geschwadervoxkanal brach die Hölle los. Alle schrien und meldeten durcheinander. Hiddar entnahm dem Chaos, dass mehrere Maschinen getroffen wurden, aber er war nicht auf den Anblick vorbereitet als er seine Rechtskehre um 180 ° vollendet hatte. Die dünne Luft hing voller Explosionswolken. Trümmerteile von vielen Maschinen regneten abwärts. Dazwischen flogen mit unglaublicher Geschwindigkeit schwarzgraue Maschinen unbekannten Typs und ohne erkennbare Hoheitsabzeichen und schossen mit Laserstrahlen und Autokanonen auf die verbliebenen Bomber. „Das Auspex zeigt die Feindflugzeuge erst ab 250 m an.“ meldete der Auguroffizier fassungslos, „bei größeren Abstand verliert sie das Auspex wieder!“ Hiddar schrie mit ganzer Stimme ins Vox: „Deadeye an alle, Mission abbrechen, Mission abbrechen, Ladung abwerfen, in die Wolkendecke und zurück zum Stützpunkt, Ende“ Der Bordingenieur, der gleichzeitig der Bombenschütze war, drückte die Notabwurfrune und 3 to Bomben fielen in die heiße Aschenwüste. Die Maschine wurde sofort manövrierfähiger und der Flight-Commander riss die Maschine in eine steile Abwärtskurve und raste den Wolken entgegen. Der Auguroffizier meldete: „Feindjäger auf 6“ und schon schlugen Geschosse in die Maschine ein. Das linke Triebwerk fing Feuer und stieß schwarze Rauchwolken aus. Der Co-Pilot wollte die Promethiumzufuhr unterbinden und die Feuerlöschanlage auslösen, doch Hiddar intervenierte: „Noch nicht!“. Er riss die riesige Maschine in eine trudelnde Abwärtsspirale, so dass sie wirkte, als sei sie abgeschossen. Der feindliche Pilot fiel darauf rein und raste mit unvorstellbarer Geschwindigkeit an seinem Cockpit vorbei. Hiddar würgte. Weniger wegen der Trudelbewegung als von der kurzen Sekunde, die er den Piloten des Jägers gesehen hatte. Bleiche, kranke Haut, goldene und messingfarbige Schläuche in Nacken und Gesicht. Packer versuchte das Bild aus seinem Bewusstsein zu tilgen. Er hatte jetzt Dringenderes zu tun. Die Maschine trudelte völlig außer Kontrolle durch die dicke Wolkendecke dem Wüstenboden entgegen. Der Co-Pilot hatte das brennende Triebwerk inzwischen abgeschaltet und gelöscht. Die Treibstoffpumpen pumpten das Promethium aus der beschädigten Tragfläche. Hiddar steuerte mit aller Macht gegen die Trudelbewegung, die Tragflächen flatterten bereits und die beschädigte knackte und knirschte. Dass er nur noch ein Triebwerk zur Verfügung hatte erleichterte die Sache nicht. Die Maschine brach durch die Wolkendecke und stürzte der Wüste entgegen, die mit brennenden Flugzeugwracks übersät war. Hiddar und sein Co-Pilot taten alles, um die Maschine zu stabilisieren und letztendlich gelang ihnen das Kunststück die Maschine in wenigen hundert Metern über dem Wüstenboden abzufangen.
Mit dem letzten Tropfen Treibstoff und zerschossenen linken Fahrwerk fabrizierten sie eine Bruchlandung auf ihrem Ausgangsflughafen. Packer und seine Crew waren die Einzigen, die zum Stützpunkt zurückkehrten. Sie waren überhaupt die einzigen Flieger, die vom 2. Geschwader in die Heimat zurückkehren sollten. Packer sollte nie wieder eine Militärmaschine fliegen.