Ein Insider!!

Es fährt ein Zug nach Nirgendwo…

 

Jodokus Greenslar verbrachte schon sein ganzes erwachsenes Leben bei der Transkontinentale-Grubenbahn. 62 lange Jahre, zuerst als Sicherheits-begleitergehilfe, seit 11 Jahren als Chef der Zugsicherheit. Er hatte schon Einiges erlebt. Nomadenüberfälle, Sabotage, Arbeiteraufstände, Banditen, die sich alle die wertvolle Ladung unter den Nagel reißen oder zumindest verhindern wollten, dass die Ladung ihren rechtmäßigen Besitzer rechtzeitig erreicht. Die Makropolen des Nordens hatten einen ungeheuren Rohstoffhunger, den der ganze Planet allein nicht mehr stillen konnte. So wurden einige Planeten sowie Asteroiden im System ebenfalls erschlossen, doch es war immer noch billiger und effektiver, die Tiefbergwerke am Äquatorialgebirge auszubeuten und die Erze über 5000 km in die Makropolen zu karren. So kam die Masse der Erze und anderer Rohstoffe aus der Kruste von Meridus selbst mit der Eisenbahn in die Makropolen.

 

Die Transkontinetale-Grubenbahn setzte dazu lange Züge mit riesigen Waggons ein. 3 m Spurweite, jeweils 2 Gleisspuren, jeder Zug hatte 60 Wagen, jeder Wagen konnte 200 to tragen. Zwei riesige Loks von jeweils 128 m Länge und mit 52 Achsen zogen den Zug mit über 150 km/h durch die Aschewüste.


  Vor der Lok, nach jeweils 10 Wagen und am Schluss fuhr jeweils ein Sicherheitswaggon mit. Sie waren mit Zwillingsautokanonen in offenen Lafetten und schweren Boltern in Seitenkuppeln ausgestattet. Im Befehlswagen in der Mitte des Zuges, ausgerüstet, neben den üblichen Waffen, mit einem leistungsfähigen Auspex- und Funksystem, hatte Jodokus Greenslar seinen spartanischen Kommandoraum, seine „Kampfbrücke“ auf der ihn noch drei weitere Besatzungsmitglieder unterstützten. Barca Olafson am Auspex, Kirin Belk am Funk und Halk Jerr als Führer des Einsatztrupps für Außeneinsätze. In jedem Sicherheitswaggon war zusätzlich ein gut gerüsteter Trupp Sicherheitsgardisten untergebracht. Diese hatte Halk Jerr zu kommandieren. Vom Kommandoraum aus hatte Jodokus Greenslar Funkverbindung zum Lokführer, zu allen Sicherheitswaggons und zur Aschepatrouille, die auf Aktivitäten der Nomaden achtete und vor allem die Unversehrtheit des Schienenstrangs sicherstellte. Sie überwachte mit ihren Halbkettenfahrzeugen und leichten Aufklärungsflugzeugen die Aschewüste zwischen den Ausläufern der Makropolen und dem Äquatorialgebirge.

 

Ächzend nahm der Sicherheitschef auf seinem Sitz Platz. Trotz einer erhaltenen Verjüngung fühlte sich Jodokus mit seinen 80 Jahren manchmal alt. Seine 20 kg Übergewicht machten es auch nicht leichter, auch wenn die stahlblaue Uniform der Gesellschaft die Speckfalten gut verbarg. Die Overalls saßen bequem und sahen seiner Meinung nach auch ganz gut aus.

 

Abfahrt in 15 Minuten. Alle Stationen meldeten Klarstand. Diesmal ging es, wie so oft, nach Batun, die Stadt des Stahls. Schwerindustrie, vor allem Rüstungsgüter für die Imperiale Armee und für die PVS der Nordallianz. Die Fahrt würde 50 Stunden dauern, also mussten sie in 2 Schichten arbeiten. Sein Stellvertreter, Davin Shang, ein junger, immer etwas nervöser Absolvent der Eisenbahnakademie, saß mit seiner Schicht ein Stockwerk tiefer und rauchte wohl wieder ein Lho-Stäbchen nach dem anderen, so wie es seine Art war.  

 

Seit Jahren hatte es bei den Fahrten keinen Zwischenfall mehr gegeben. Davin meinte, die Lage sei einfach zu ruhig. Jodokus war es Recht. Kein Zwischenfall bedeutete auch weniger Berichte schreiben, weniger Munitionsanforderungen und natürlich auch weniger Gefahren für ihn und seine Männer.

 

Der Zug setzte sich ächzend in Bewegung und nahm langsam Fahrt auf. Es würde einige Zeit dauern, bis der Zug seine Reisegeschwindigkeit erreichen würde. Barca Olafsen, eine noch junge Frau und noch nicht lange Mitglied in seinem Team, nahm vor dem Auspex-Altar Platz, vollzog die vorgeschriebenen Rituale, berührte die Runen und der Maschinengeist des Gerätes erwachte zum Leben. Es würde sie vor allen möglichen Gefahren warnen, sei es am Boden oder aus der Luft und dann würde der Maschinengeist die Bedienungsmannschaft an den Zwillingsautokanonen unterstützen und sie würden die Gefahr bekämpfen und ausschalten. Da hatte der Sicherheitschef keinen Zweifel.

 

Der Zug war nun seit 30 Stunden unterwegs. Den fünften Halt hatten sie gerade hinter sich. Greenslar war müde und seine Laune war nicht die Beste. Er hatte schlecht geschlafen, nicht so wie sonst. Träume hatten ihn gequält. Von dunklen Geistern aus der Wüste, die den Zug und sie alle verschlangen. Wahrscheinlich hatte ihn Davin mit seiner nervösen Art angesteckt, noch wahrscheinlicher war, dass er für diese Art Job langsam zu alt wurde. Er würde sich nach einem ruhigen Schreibtischjob in der Zentrale in Batun oder an einer der großen Verladestationen suchen müssen. Seine Frau nervte ihn damit schon seit Jahren.

 

32 Stunden seit der Abfahrt. Plötzlich ruft Barca aufgeregt: „Kontakt, 150 m ostwärts, schnell nä..“ Da krachte es auch schon ohrenbetäubend. Jodokus wurde von seinem Sitz geschleudert. Alles in der Kommandozentrale flog durcheinander. Der Waggon neigte sich stark nach links und Feuer brach aus. Das Letzte, was er hörte, waren die Schreie seiner Brückenbesatzung.

 

 

Ulysses di Monte hob seine Atemmaske und spukte in die Asche. Was für eine Sauerei! Eine zerstörte Lok, sieben gesprengte Sicherheitswaggons und 20 zerstörte Erzwaggons, alle anderen Waggons hatten russgeschwärzte Beschussspuren, sehr wahrscheinlich durch schwere Laserwaffen, viele Waggons waren entgleist. Mehrere Brandherde schwelten noch und die Rauchentwicklung war immens. Seine Leute schwärmten gerade aus, um Überlebende zu suchen. Nur die Fahrer und die Bordschützen verblieben auf den beiden Ranger-Halbkettenfahrzeugen und sicherten. Bis jetzt hatte auch keiner seiner Männer Spuren der Angreifer entdeckt. Obwohl der Überfall Stunden her war, waren sie offensichtlich die Ersten, die sich dem zusammengeschossenen Zug mit Bodenfahrzeugen genähert hatten. Reifen- oder Kettenspuren blieben in der Aschwüste je nach Wind bis zu 24 Stunden sichtbar, aber hier war nichts zu sehen. Seine erste Vermutung war ein Schlag aus der Luft oder mittels Hovercraft, alles Optionen, die nichts mit den Aschenomaden zu tun hatten. Er konnte sich aber auch nicht vorstellen, dass Luftstreitkräfte des Südpakts die Luftüberwachung der Nordallianz überlistet und hier zugeschlagen haben könnten. Ullysses war in seiner gesamten Dienstzeit noch nie so ratlos gewesen.

 

Eine Staubwolke näherte sich. Die Türme der Halbkettenfahrzeuge schwenkten in die Richtung und Ulysses spannte sich an. Doch dann meldete sein Funker: “Erkennungscode korrekt. PVS-Einheit.“ Ulysses‘ Anspannung verwandelte sich in Ärger und er musste schon wieder in die Asche spucken. Was wollte die PVS hier. Das war Angelegenheit der Aschepatrouille. Neun Meles-Truppentransporter, begleitet von einem ihrer kleineren Verwandten, einem Custos-Patrouillenfahrzeug, näherten sich. Aus der Dachluke des Custos blickte ihn ein mit Staub bedeckter Soldat an. Aus der Haltung schloss Ulysses, dass es sich um den befehlshabenden Offizier handeln musste. Er sollte Recht behalten.

 

„Haben Sie Spur der Nomaden aufgenommen? Zeigen Sie mir in welche Richtung diese Feiglinge geflohen sind“, blaffte ihn der Mann an, kaum, dass das Panzerfahrzeug vor ihm angehalten hatte. Als Ulysses den Kopf schüttelte und meinte, dass dies sicher nicht die Tat von Nomaden war, herrschte er ihn sogleich an: “Dann kann ich Sie und Ihre Leute hier nicht brauchen. Ich erkläre dieses Areal zum militärischen Sperrgebiet. Ziehen Sie sofort Ihre Leute ab und verlassen Sie diesen Bereich!“ ‚So ein arrogantes Arschloch!‘ dachte sich di Monte, ‚hat es nicht mal nötig, sich vorzustellen und glaubt, mir und der Aschepatrouille Befehle geben zu können.‘ „Das hier ist Aufgabe der Aschepatrouille und nicht Sache des Militärs.“ erwiderte er äußerlich ganz ruhig. Der Offizier saß von dem Fahrzeug ab und entgegnete in scheinbar ruhigen Ton, der deshalb umso bedrohlicher klang: “Rücken Sie sofort ab oder tragen Sie und Ihre Leute die Konsequenzen!“ Er gab ein Zeichen und aus den Schützenpanzern saßen Soldaten in leichter Sicherheitsrüstung und mit schweren Sturmgewehren ab. `Das ist keine gewöhnliche PVS,‘ dachte sich Ulysses und hob beschwichtigend die Hände. Er wollte gerade nach der Autorisierung des Offiziers fragen, da rief einer der Soldaten im Kampfturm eines Meles: „Unbekanntes Flugobjekt aus südlicher Richtung im Anflug!“ „Fliegeralarm“ schrie der Offizier, „Feuerbereitschaft für Multilaser“. Die Soldaten spritzten auseinander und suchten in der Aschewüste Deckung. Dann rief der Soldat aus dem Kampfturm: „Flieger mit imperialem Kenncode.“ Der Offizier rief „Den kann ich gut gebrauchen. Unmissverständlich zur Landung auffordern.“ ‚Na, toll‘, dachte Ulysses di Monte, ‚‘das wird ja hier beinahe so wie auf `nem Rummelplatz:‘

 

Die Soldaten sammelten sich wieder. Da war das Fluggerät schon heran, ein Aquila-Lander. Auf Meridus besaßen nur sehr reiche Handelsherrn dieses raumtaugliche Fluggerät. Es wirbelte eine mächtige Staubwolke auf, als es am Boden aufsetzte. Als der Staub sich verzogen hatte, ging die Bugluke auf und eine übergroße Gestalt in golden schimmernder Rüstung kam durch die breite Luke. `Ein Space Marine` fuhr es di Monte durch den Kopf. Die ihn begleitenden, bewaffneten Männer blieben deutlich im Schatten des Riesen. Sie trugen schwere, schwarze Staubmäntel und schlenderten, sich aufmerksam umsehend, zu Ihnen hinüber.

 

Der Offizier nahm stramm vor der hochgewachsenen Gestalt Haltung an, grüßte militärisch und forderte dann mit lauter Stimme. „Ich bin Major Herger von Sessen, Innere Batuner Garde. Dies ist eine interne militärische Angelegenheit der souveränen Makropole Batun. Ich benötige ihr Fluggerät für einen Aufklärungsflug, um die Schweine zu erwischen, die diese Sauerei angerichtet haben“. Ein Grollen erklang aus den Außenlautsprechern des Space Marine, bei dem alle Anwesenden zusammenzuckten und mancher Batuner Gardist sein Sturmgewehr fester fasste. Doch ein Blick auf die Begleiter zeigte, dass der Riese offensichtlich gelacht hatte. „Moment“ dröhnte es herablassend aus seinem Helmlautsprecher, „wir gehören zum Gefolge der Freihändlerin Lady Lucie Uxor und sind in einer wichtigen Mission unterwegs. Aber ich lasse nachfragen. Inzwischen könnten Sie uns ja mal erzählen, was hier passiert ist.“ Der Offizier verzog ob des Widerspruchs sein Gesicht. Di Monte feixte in sich hinein. Schien so, als sollte es doch noch ein sehr interessanter Tag werden.